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20. FSS Security Talk | Chancen und Risiken der Sozialen Medien für Jugend, Gesellschaft

und Staat

Beim 20. FSS Security Talk im Rahmen der Swiss Cyber Security Days (SCSD) in Bern diskutierten Prof. Dr. Lutz Jäncke (Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich), Regula Bernhard-Hug (Leiterin der Geschäftsstelle, Kinderschutz Schweiz), Stefan Wittwer (Geschäftsführer, Bildung Bern) und Estelle Pannatier (Policy & Advocacy Managerin, AlgorithmWatch CH) über die zahlreichen Auswirkungen von sozialen Medien auf Kinder und Jugendliche, Staat und Gesellschaft. 


Soziale Medien sind aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Rund zwei Drittel der Weltbevölkerung nutzen sie regelmässig, mit einer Verweildauer von mehreren Stunden pro Tag, Tendenz weiter steigend. Der Einfluss der sozialen Medien ist daher enorm. Einerseits bieten soziale Netzwerke die Möglichkeit sich jederzeit global zu vernetzen sowie den Zugriff auf unzählige digitale Inhalte und «Informationen». Andererseits bringen Soziale Medien erhebliche Herausforderungen und negative Folgen mit sich. Die enorme Marktmacht und Meinungshoheit konzentrieren sich immer mehr auf wenige grosse Tech-Giganten, welche somit direkt auf User, Gesellschaft und Staat Einfluss nehmen können. Die Algorithmen sind so programmiert, dass sie gezielt das menschliche Lust- und Angstgefühl stimulieren, um die Nutzer:innen so lange wie möglich auf der Plattform zu halten. Dieses Geschäftsmodell beschert den Tech-Unternehmen enorme Gewinne und macht die User gleichzeitig abhängig, einsam und mit der Zeit unzufrieden.

Warum haben die sozialen Medien einen solchen Einfluss auf uns Menschen? Laut Prof. Lutz Jäncke hat sich unser Gehirn im Zuge der Evolution so entwickelt, dass es sich auf die überlebenswichtigen Informationen fokussiert. Denn wir können pro Sekunde bloss 40-60 Bit bewusst wahrnehmen, obwohl 11 Mio. Bit pro Sekunde auf unser Sensorium einprasseln. D.h. die enorme «Informations»-Flut aus dem Internet und den Sozialen Medien kann das Gehirn gar nicht mehr verarbeiten. Das Gehirn bleibt deshalb an der Oberfläche der Inhalte und geht nicht mehr in die Tiefe. Dadurch verlernen wir wesentliche Fähigkeiten wie das Schreiben, die Grammatik, Fremdsprachen sowie unser Erinnerungsvermögen. Die Tech-Unternehmen behaupten zwar, wir hätten durch diese technologischen Fortschritte mehr Zeit für kreative Tätigkeiten. Die Realität zeigt allerdings, dass wir rund um die Uhr mit unendlichen Bild- und Textfluten und Reizen überschüttet werden. Dabei ist Anteil der nützlichen Inhalte gemäss Prof. Dr. Lutz Jäncke in den letzten Jahren linear angestiegen, während jener der unnützen Inhalte bzw. des «Bullshits» exponentiell explodiert ist.


Besonders für Kinder und Jugendliche ist ein übermässiger, unkontrollierter Konsum sozialer Medien problematisch. Da deren Gehirne noch nicht vollständig ausgereift sind, haben soziale Medien tiefgreifende Auswirkungen auf die neuronale Entwicklung junger Menschen. So kann beispielsweise die Konzentrationsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden. Zudem hat die Nutzung sozialer Netzwerke psychologische Folgen: Studien zeigen, dass die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen sinkt, und die intensive Nutzung von sozialen Medien zu Schlafmangel, Einsamkeit und Konflikten in der Familie führen kann. Darüber hinaus sind Kinder und Jugendliche einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Cybermobbing zu werden oder ins Visier pädokrimineller Täter zu geraten, die soziale Netzwerke gezielt zur Kontaktaufnahme nutzen. Die Organisation Kinderschutz Schweiz hat deshalb die Online Meldestelle Clickandstop.ch gegen Pädokriminalität ins Leben gerufen. Mit sichtlichem Erfolg, wie Regula Bernhard Hug betont. 


Der Umgang mit den zahlreichen Risiken und Gefahren im Netz und auf den sozialen Plattformen erfordere gemeinsame Anstrengungen, von Eltern, Schulen, lokalen und nationalen Behörden sowie der Gesellschaft als Ganzes, waren sich die Panelteilnehmenden einig. Notwendig seien gezielte Massnahmen, sowohl im Bildungsbereich als auch durch staatliche Regulierung. Dabei wird intensiv diskutiert, welche Massnahmen am besten geeignet sind und auf welcher Ebene eine Regulierung angesetzt werden sollte. Schulen und Behörden, aber auch Eltern brauchen die notwendige rechtliche Sicherheit, um Missbräuche verhindern bzw. ahnden zu können, betonte Stefan Wittwer, Geschäftsführer von Bildung Bern. Besonders wichtig seien zuallererst Information und Prävention. Bei Gewalt, Schachbeschädigungen oder Verbreiten von pornographischen Inhalten gelte es jedoch den Tätern die roten Linien aufzuzeigen und wo nötig die Polizei zu involvieren. Doch wie weit sollte die Regulierung gehen? Ist ein nationales Verbot sozialer Medien für Kinder erforderlich, oder genügt es, handyfreie Zonen im Schulreglement festzulegen?


Weil die Plattformbetreiber eine enorme Markt- und Meinungsmacht besitzen und länderübergreifend agieren können, hätten sie eine grosse Verantwortung, selbst geeignete Leitplanken zu setzen, unterstrich Estelle Pannatier, von AlgorithmWatch CH. Dazu gehören regelmässige Risikoanalysen der Techunternehmen, welche auch der Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht  werden. Von zentraler Bedeutung sind dabei Empfehlungs-Algorithmen, die bestimmen, welche Inhalte wir zu sehen bekommen. Die Nutzer:innen und die Öffentlichkeit wollen aus gutem Grund Transparenz über die Funktionsweise dieser Algorithmen und wie diese die Sozialen Medien beeinflussen und steuern.  


Die Expert:innen waren sich einig, dass ein bewusster und reflektierter Umgang mit sozialen Medien unerlässlich ist. Medienkompetenz müsse frühzeitig gefördert werden, um Risiken zu minimieren und Chancen gezielt zu nutzen. Eltern und Lehrpersonen übernehmen hierbei eine wichtige Vorbildfunktion. Soziale Medien und KI werden ein wichtiger Bestandteil unseres digitalen Alltags bleiben. Daher ist es entscheidend, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen sicheren Umgang mit diesen Technologien ermöglichen. «Wir sollten uns deshalb nicht von der Technologie bestimmen lassen, sondern vielmehr die Technologie aktiv gestalten», meinte Estelle Pannatier. Die Debatte dazu habe erst begonnen. 


Das FORUM SICHERHEIT SCHWEIZ (FSS) blickt auf eine weitere erfolgreiche Veranstaltung zurück und bedankt sich bei allen Anwesenden für ihre Teilnahme. 


Eine Videoaufzeichnung des ganzen Gesprächs finden Sie hier

Videostatements unserer Panelist:innen finden Sie unter folgendem Link.

Das Programm zum Talk und die Panelisten finden Sie hier.

Fotogalerie:

FORUM SÉCURITÉ SUISSE (FSS)

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